Im Herzen einer dynamischen Stadt

Die zehnten Klassen besuchen Berlin

Lange warteten die zehnten Klassen auf die Studienfahrt nach Berlin, die am Hans und Sophie Scholl-Gymnasium jedes Jahr im Rahmen des Geschichts- und Gemeinschaftskundeunterrichts in der neunten Jahrgangsstufe stattfinden soll. Wegen der Corona-Pandemie reisten 2022 die damaligen zehnten Klassen und holten ihre Exkursion nach, in diesem Jahr fuhren insgesamt acht Klassen nach Berlin: alle Neuner und Zehner. In der Woche vor den Pfingstferien, von Sonntag, den 21. bis Freitag, den 26. Mai, war es soweit – gemeinsam machten sich die vier Klassen 10a bis d per Bus auf den Weg. Mit dabei waren zwei LehrerInnen jeder Klasse.
Nach der Ankunft in den Hostels wurde zu Fuß das Wahrzeichen Berlins besucht: das Brandenburger Tor. Der ausgedehnte Spaziergang wurde flankiert durch fundierte Erläuterungen der Lehrkräfte zu allen Sehenswürdigkeiten, die auf dem knapp zweistündigem Weg lagen, beispielsweise dem neu errichteten Humboldt-Forum. Der Abend war lau, die Stimmung hervorragend – Berlin, wat willste mehr!

Die Klassen a und c sowie b und d hatten in den Folgetagen jeweils ein gemeinsames Programm, das sie den vielen historischen und politisch aufgeladenen, aber auch kulturellen Besonderheiten der deutschen Hauptstadt näherbringen sollte.
Darunter war das Holocaust-Mahnmal, auch bekannt als das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Dieses ergreifende Kunstobjekt befindet sich im Herzen Berlins, wo früher das Propagandaministerium des nationalsozialistischen Deutschlands stand. Es erinnert eindrucksvoll an das Leid Millionen jüdischer Opfer, die während des Völkermords durch die Nazis ums Leben kamen. In der düster-bedrohlichen Atmosphäre im Inneren des begehbaren Mahnmals verschwindet auf einmal die Leichtigkeit der dynamisch-pulsierenden Stadt und verwandelt sich auf merkwürdig bedrückende Weise in ein schwarzes Loch ohne Zeit und Raum. Deshalb wurde von den Klassen anschließend besonders die Bedeutung diskutiert, dieses Mahnmal im Stadtzentrum zu errichten.


Ein weiteres Ziel aller Klassen war das Bundesarchiv für die Unterlagen der ehemaligen Staatssicherheit der DDR. Andreas Schiller begrüßte die Klassen und referierte ausführlich und interessant über die archivarische Einrichtung selbst, seine Arbeit im Bundesarchivausschuss für Stasi-Unterlagen und die Geschichte der DDR-Geheimpolizei. Durch verschiedene Aktivitäten wie ein Quiz im Freien oder ein kleines Projekt mit echten Dokumenten, welche von der Stasi über die Bewohner der DDR angelegt wurden, tauchten sie in die Welt der Überwachung, Intrigen und Unterdrückung ein. Durch die umfangreiche Sammlung von Akten, Fotos und persönlichen Berichten bekamen die SchülerInnen einen beklemmenden Eindruck über die einst allgegenwärtige Kontrolle der Stasi sowie über das Leben der Menschen und die Kämpfe derer, die unter dem Unterdrückungsregime lebten. Dies erinnerte eindringlich daran, wie wichtig es ist, Demokratie, individuelle Freiheiten und Menschenrechte zu bewahren.
Das Gefühl, „Glück gehabt“ zu haben, nicht an diesem Ort zu dieser Zeit geboren worden zu sein, machte sich bei den Klassen auch beim Besuch des Tränenpalasts, des Bendlerblocks und des Deutschen Historischen Museums breit: hin und hergerissen war man zwischen den Zeiten des Nationalsozialismus, dem darin keimendem Widerstand z.B. um die Geschwister Scholl, Claus Schenk Graf von Stauffenberg oder Georg Elser sowie dem postkriegerischen Trauma des scheindemokratischen Sicherheitsstaates der DDR und den Fluchtversuchen an der Berliner Mauer, die vor allem an der Gedenkstätte der Bernauer Straße greifbar wurden.

Nicht fehlen durfte ein Besuch des Bundestages: nachdem alle Sicherheitskontrollen durchlaufen waren, konnten die Klassen auf den Zuschauerbänken im Sitzungssaal Platz nehmen. Ein interessanter Vortrag zur Geschichte des Hauses und zu den Gepflogenheiten der PolitikerInnen ging einem nicht allzu gewinnbringendem anschließendem Gespräch mit einer Mitarbeiterin von Ronja Kemmer, die für den Alb-Donau-Kreis als eine der jüngsten Abgeordneten im Bundestag sitzt, voraus. Der Besuch der Reichstagskuppel bot einen überwältigenden Blick über die Hauptstadt. Der Besuch des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unter Ministerin Svenja Schulze, war hinsichtlich der umfangreichen Sicherheitskontrollen mehr als beeindruckend, die Ausführungen zur Arbeit des Ministeriums leider etwas weniger.


Das kulturelle Programm lieferte hierzu einen dankbar angenommenen Gegenpol, der von nahezu allen TeilnehmerInnen der Fahrt tief aufgesogen wurde: besonders gut kam eine „Museumswahl“ an: man durfte selbst zwischen Kunstmuseen, einem Technikmuseum, dem Jüdischem und dem Neuen Museum oder zum Beispiel einem Museum für optische Täuschungen entscheiden und konnte so den eigenen Interessen nachgehen. Zwei Klassen besuchten das Futurium, ein beeindruckendes Gebäude in Sichtweite des Kanzleramts, das ein interaktives Museum für nahezu alle zukunftsweisenden Technologien und Fragestellungen in sich trägt. An der East Side Gallery, einem knapp über einem Kilometer langen Rest der Berliner Mauer, die einst Berlin in zwei Hälften teilte, wurde deutlich, dass diese inzwischen zu einem großen Kunstobjekt geworden ist, auf dem sich KünstlerInnen aus der ganzen Welt mit politischen, kulturellen und sozialen Themen auf ihre ganz eigenen Art in Bild und Wort auseinandersetzen.
Highlights waren die Abendveranstaltungen: ob im Kriminaltheater, bei einem gemeinsamen Essen, dem Besuch bei den „Kiezpoeten“ – hier konnte man von den Inhalten des Tagesprogramms etwas abschalten. Das Improtheater BKA bot einen Abend voller Lachen, Spannung und kreativer Darbietungen, der restlos begeisterte: rund um kulinarische Gerichte strickten die drei Akteure auf der Bühne ein Menü, in dem sie mit Hilfen von Ideen und Zurufen der BesucherInnen kurze szenische Umsetzungen von kuriosen Geschichten darboten, die anschließend vom Publikum bepunktet wurden. Ganz etwas anderes bot die Musikshow der Blue Man Group: an die einzigartige Atmosphäre mussten sich manche erst gewöhnen: was ist Fake, was ist echt? ZuschauerInnen wurden in die Show mit eingebunden und fanden sich zwischen den mit Farben und Abflussrohren hantierenden und musizierenden drei glatzköpfigen Akteuren auf der Bühne wieder. Bei ihren Experimenten kamen sie ohne ein gesprochenes Wort aus.


An einem Tag bekamen die Klassen einige Stunden Freizeit, wobei sogar Tickets für die Berliner U-Bahn zur Verfügung gestellt wurden. Beliebte Ziele waren das Aquarium und die großen Shopping-Malls.
Am letzten Abend trafen sich alle Klassen und besuchten das politische Kabarett Distel mit ihrem Programm „Wahres ist Rares“. Vom politischen und oft auch schwarzen Humor bildete sich jeder eine eigene Meinung – so musste man sich schon etwas mit der aktuellen Politik beschäftigt haben, um die aufgegriffenen Inhalte zu verstehen.
Freitags wurden die Koffer wieder eingepackt. Auf der Rückreise machten die 10a und 10c noch einen kurzen Besichtigungsstopp am Schloss Sanssouci in Potsdam, dann sanken auch sie in die Bussitze und schliefen – getragen von den Eindrücken einer erlebnisreichen Woche – wie die SchülerInnen der beiden anderen Klassen bis Ulm nahezu durch.

Lina Walter (10a), Paul Ko und Luca Spieler (beide 10d) PAG/FAG